„Du willst Erzieher werden? Als Mann?“

In der vierten Klasse, vor dem Übergang an die Oberschule, fragte der Klassenlehrer, auf welche weiterführende Schule wir gehen wollten. Weder bei der Haupt- noch bei der Realschule hob ich den Arm, sondern beim Gymnasium. Es dauerte eine Weile, bis er mich entdeckte. Schließlich saß ich in der letzten Reihe, gleich neben Jose, meinem portugiesischen Freund. Als der Lehrer mich sah, lachte er, dann stimmte die ganze Klasse mit ein. Mein Wunsch war das eine, meine schulischen Leistungen leider etwas anders. Ich kam zur fünften Klasse auf die Hauptschule.

Meinen Eltern habe ich eine wunderbare Kindheit zu verdanken. Sie taten alles, damit ich auf den rechten Weg kam. Aber ihre Möglichkeiten waren aufgrund der Sprachbarriere und ihrer Arbeitsbelastung limitiert. Gelegentlich nahm mich die Familie eines Freundes unter ihre Fittiche. Die Mutter schaute meine Hausaufgaben durch, die Oma nahm mich mit zum Wandern. Diese Unterstützung, Einbindung und Vorbildfunktion waren für meinen Lebensweg enorm wichtig. Es hätte gut und gerne auch anders laufen können. Dank Nachhilfe schaffte ich den Wechsel zur Realschule, wo sich engagierte Lehrer meiner annahmen.

Ich merkte, dass ich mit Engagement etwas bewegen konnte. Ich wurde zum Klassen- und später zum Schulsprecher gewählt. Ich übernahm die Leitung der Schülerzeitung und arbeitete später als freier Mitarbeiter in der Lokalzeitung. Meine ersten politischen Ämter, wenn man so will.

Nach dem Realschulabschluss entschied ich mich, Erzieher zu werden und parallel mein Fachabitur zu machen. Meine Eltern waren darüber wenig erfreut. Kinderbetreuung als Beruf? Als Mann? Davon ließ ich mich aber nicht beirren. Die Arbeit gefiel mir so gut, dass ich anschließend Sozialpädagogik studierte. Die dort erworbenen Kenntnisse kann ich als Parteichef noch heute gut gebrauchen.

Vor allem aber weiß ich, wie wichtig die Förderung von Kindern und Jugendlichen ist und welche Anstrengungen hinter guter Bildung und Betreuung stecken. Ich habe größte Hochachtung vor allen, die in diesem Bereich täglich mit großem Einsatz (und häufig nicht fairer Bezahlung) viel leisten, um anderen eine gute Zukunft zu ermöglichen. Insbesondere für Kinder und Jugendliche aus so genannten bildungsfernen Familien kann diese Unterstützung den Unterschied ausmachen.